7 Fähigkeiten, die jeder Gründer braucht

Phase 2: Erfolgreiche Idee validieren

Mit Mut und Disziplin haben wir mit den in Phase 1 herausgefunden, was die angesprochene Zielgruppe wirklich kaufen will. Nun dürfen wir allerdings nicht denken, dass die einfachen Hypothesen-Tests, die wir ohne viel Aufwand durchgeführt haben, ein Garant für den wirtschaftlichen Erfolg unseres zukünftigen Unternehmens sind. So könnte es z.B. sein, dass die Kollegen des Vaters wirklich nur nett sein wollten.

Darum heißt es jetzt: Butter bei die Fische! Den Reality Check machen!

In unserem Beispiel: Jetzt dürfen wir endlich einen Shop programmieren und diesen auch außerhalb des Bekanntenkreises bewerben. Unser Ziel in Phase 2: die ersten Verkäufe vorweisen und kritische Faktoren für die Skalierung des Geschäftsmodells ermitteln.

Skalierungsfaktoren ermitteln

Solche Faktoren können im Online-Business beispielsweise sein:

  • Cost of Acquisition: Was kostet es uns, einen Nutzer über Werbemaßnahmen auf unseren Shop zu bringen?
  • Conversion Rate: Welcher Anteil der Besucher kauft?
  • Avg. Customer Value: Wie viel kauft ein durchschnittlicher Kunde?
  • Total Cost: Was sind unsere Kosten, welche davon fix, welche sind variabel?
  • Marge: Was verdienen wir an einem Verkauf?
  • Break-Even: Wie viel müssen wir verkaufen, um profitabel zu sein?

Diese Zahlen sind für unseren Business Case entscheidend. Wir können uns damit ausrechnen, wie viel Marketing-Budget wir für welchen Umsatz brauchen, wie viel Geld wir insgesamt brauchen, welche Ressourcen für welchen Umsatz etc.

Skill 2: Verkaufen

Jedes Geschäft steht und fällt mit dem Verkaufen. Entweder online: dann besteht Spielfeld des Verkäufers aus Ads, Conversion Funnels, Bounce Rates etc. Oder wir müssen von Mensch zu Mensch verkaufen. Die Kunst des Verkaufens ist aus meiner Sicht in unserem Bildungswesen extrem unterschätzt.  Wer von euch hat  in der Schule oder im Studium das Verkaufen gelernt?

Verkaufen hat in Deutschland ein schlechtes Image, völlig zu Unrecht. Echtes Verkaufen bedeutet nicht, den Kunden etwas Aufzuschwätzen, was sie gar nicht haben wollen. Ein guter Verkäufer löst ein echtes Problem des Kunden. Ein Verkäufer bringt den Nutzen eines Produktes zum Kunden.

Das Verkaufen kann und muss man lernen, es hilft einem aber auch wie keine der anderen Fähigkeiten beim Lernen. In letzter Konsequenz erfahren wir als Unternehmer erst dann, ob unser Produkt wirklich attraktiv ist, wenn der Kunde den Geldbeutel aufmachen muss. Oft rückt er erst dann mit den echten Bedenken raus.

Speziell im B2B-Bereich ist der Weg nur halb geschafft, wenn unser direkter Ansprechpartner in einem Unternehmen kaufen möchte. Hier muss das ganze Buying Center verstanden und die Bedürfnisse und Motive der einzelnen Personen im Buying Center berücksichtigt werden. Jeffrey Gitomer hat mit der Sales Bible einen guten Wegweiser geschrieben.

Gründer müssen selbst verkaufen

Gründer müssen ihr Produkt selber verkaufen! Immer, ohne Ausnahme! Erst ab den ersten Millionen Umsatz können sich die Gründer vielleicht aus dem Verkauf zurückziehen. Aber nur vielleicht! Bis zu den ersten Millionen darf man diese Aufgabe niemals in fremde Hände geben, auch wenn man sich selbst nicht als eine Verkäuferpersönlichkeit sieht. Raus aus der Komfortzone! Ausreden führen hier zwingend zum Misserfolg.

Der Verkauf ist der einzig wahre Reality Check für uns Geschäftsmodell. Wir lernen beim Kunden, was wir noch ändern müssen. Diese Erfahrungen müssen ungefiltert ins Produkt fließen. Das ist die höchste Aufgabe der Gründer.

Skill 3: Investoren auswählen

Viele Unternehmen können die Phase 1 fast ohne Geld bewältigen, für die zweite Phase braucht man aber oft zumindest ein bisschen Geld. In Geschäftsbereichen, in denen man keine großen Anlaufkosten hat, wie einfache e-Commerce-Modelle oder Beratungsfirmen, kann man die Validierung im Bootstrapping schaffen. Das bedeutet: Man lebt von den ersten Verkäufen und reinvestiert das gerade verdiente Geld sofort wieder in Wachstum. Wenn möglich, unbedingt machen!

Viele Unternehmen brauchen aber für die Validierung des Geschäftsmodells mehr Geld und müssen dieses von Investoren einwerben.

Investorentypen

Wenn man nun Geld braucht, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, hier die typischsten:

Welcher Investorentyp der richtige ist, hängt von mehreren Faktoren ab, einen kleinen Wegweiser gibt es hier bei der Gründerszene:

  • Suchen wir nur Geld oder auch echte Unterstützung bei Unternehmertum, Gründung, Company Building und Skalierung
  • Wie groß ist unsere Vision? Wollen wir das nächste Billion-Dollar-Business oder eher ein 3-Mann-Unternehmen aufbauen?
  • Wie viel Geld suchen wir?
  • Wie viel Sicherheit können wir bieten? Sicherheit kommt ausschließlich in Form von Proof-of-Concept: Eine große Idee ohne getestete Hypothesen bedeutet maximales Risiko; erste wenn auch kleine Umsätze oder stetig steigende Conversion-Zahlen bieten schon etwas Sicherheit.

Prüfe, wer sich ewig bindet

Gesellschafter/Investoren loswerden ist schwieriger als sich scheiden lassen. Hier kann man entscheidende Fehler machen, die Gründern das Leben extrem schwer machen oder die eigene wirtschaftliche Beteiligung am eigenen Unternehmen gründlich verhageln können. Hier ist größte Vorsicht geboten.

Gerade am Anfang will jeder gerne etwas vom Kuchen abhaben. Es wird „Beratung“ oder „Zugang zum eigenen Netzwerk“ im Gegenzug für Anteile angeboten. Meiner Erfahrung nach ist diese Beratung oft nicht viel wert, Zugang zum Netzwerk findet entweder gar nicht statt oder bringt genauso viel oder wenig, wenn man relevante Personen selbst anspricht.

Smart Money

Natürlich gibt es auch sehr wertvolle Beratung und wertvolle Netzwerke. Diese kommen dann meist durch Leute, die selbst Unternehmer sind oder waren und wirklich aus eigener Erfahrung wissen, wovon sie reden. Das können dann z.B. Angel-Investoren sein, die neben Unterstützung auch Geld mitbringen. Gerade dann, wenn wir ein noch unerfahrenes Team sind, können solche Angels, die sich am besten in der Branche auskennen, extrem wertvoll sein.

Unerfahrenes Team – erfahrener Investor?

Wenn man doch zum Schluss kommt, für nicht-monetäre Einbringung Anteile vergeben zu wollen, sollte man zwingend ein Vesting vereinbaren. Was ist jetzt ein Vesting? Kommt weiter unten.

Investition in Startups ist immer eine Wette auf die Zukunft. Speziell für unerfahrene Investoren ist das oft problematisch, daher können diese oft unruhig und unangenehm werden, weil sie Panik bekommen, wenn der 2 und 3 Pivot des Geschäftsmodells immer noch nicht der große Wurf sind.

Wenn wir z.B. an eine investitionswillige Person geraten, die vorher noch nie in der Form investiert hat, sollten wir alle kritischen Punkte und mögliche Konsequenzen offen besprechen. Das sehr hohe Maß an Planungsunsicherheit und Verlustrisiko muss allen Beteiligten vollständig klar sein. Wenn diese Person dann abspringt, ist das zwar erstmal schmerzlich, wird sich langfristig immer auszahlen.

Skill 4: Deals verstehen

Bei Investments werden grundsätzlich zwei Dinge getauscht: Gewinnchance gegen Risiko (Upside vs. Downside). Die Upside bedeutet die Größe des möglichen Gewinns durch das Investment: Erlös beim Verkauf des Unternehmens oder zukünftige Gewinnausschüttungen. Die Downside oder das Risiko meint die Verlusthöhe: Investmentbetrag und Aufwand für Management des Investments (Anwaltskosten, Meetings etc.).

Beispielsweise brauchen wir als Gründer sagen wir 100.000 € für die Validierungsphase und das erste Wachstum, wir wollen oder können uns aber selbst nicht verschulden. Daher sind wir bereit, mit einem Investor einen Teil des Unternehmens (also Geschäftsanteile) gegen das benötigte Geld einzutauschen.

Wir tauschen also einen Teil der zukünftigen Gewinnchance (z.B. durch Verkauf des Unternehmens) gegen das Risiko des Verlusts von 100.000 € ein. Die Downside für den Investor beträgt somit 100.000 €, wenn man von den oben beschriebenen Managementkosten absieht.

Bei der Upside ist es nicht so klar: Es stellt sich die Frage, welchen Anteil des Unternehmens der Investor für seine 100.000€ bekommt. Das passiert in der Regel über Kapitalerhöhungen und hier kommt nun die Bewertung (die Valuation) ins Spiel. Um das zu verstehen, brauchen wir erst zwei Definitionen:

Pre-Money und Post-Money

  • Pre-Money-Bewertung: Wert des Unternehmens, bevor der Investor die Investitionssumme aufs das Firmenkonto überweisen hat
  • Post-Money-Bewertung: Pre-Money-Bewertung + Investitionssumme

Der prozentuale Anteil am Unternehmen, der dem Investor nach dem Einstieg gehört, berechnet sich daher wie folgt:

Anteil Investor = \frac{Investitionssumme}{Post-Money-Bewertung}

 

Wenn wir also aus der Verhandlung mit dem Investor mit einer Pre-Money-Bewertung von 1 Mio € herauskommen, berechnet sich der Anteil des Investors demnach so:

\frac{100.000 €}{1 Mio € + 100.000 €} = 9,09%%

 

Was ist mein Startup wert?

Es dreht sich also alles um die Pre-Money-Bewertung, bez. die Frage: Was ist unser Startup jetzt wert, bevor jemand Geld investiert hat.

Bei 20 Jahre alten Unternehmen, deren Umsatz und Gewinn stabil und planbar ist, kann eine Unternehmenswert durch z.B. die Net-Present-Value-Methode auf Basis der Gewinne der nächsten Jahre berechnet werden.

Anders bei einem Startup: Der zukünftige Wert des Unternehmens hängt von so vielen Faktoren ab, dass er nur geschätzt werden kann. Hier kann man natürlich versuchen, Berechnungsfaktoren wie den Wert eines zukünftigen Kunden zu finden oder den Vergleich zur Bewertungen vergleichbarer Unternehmen suchen.

Letztendlich läuft es aber nur auf eines hinaus: glaubt der Investor, dass das Unternehmen in 5 Jahren z.B. bei einem Verkauf so viel wert sein wird, dass sich das anfängliche Investment vervielfacht. Der Investor wägt hier Chance gegen Risiko ab.

Ein Investor wird, um seine Upside bzw. seine Rendite zu maximieren, bei einer möglichst geringen Unternehmensbewertung einsteigen wollen. Das bedeutet für die Gründer: viele Anteile weggeben. Die Gründer verhandeln da natürlich dagegen.

Einflussfaktoren auf die Bewertung

  • Qualität und Erfahrung des Gründerteams: erfahrene Unternehmer können einem Investor ein wesentlich höheres Sicherheitsgefühl geben
  • Vorweisbare Erfolge: Gibt es schon Umsätze und stabile und hohe Wachstumsraten?
  • Marktgröße: Welches Marktpotential kann das Unternehmen ansprechen? Wie groß kann das Unternehmen werden?
  • Klare Verhältnisse zwischen bestehenden Gesellschaftern: Vor wenig schrecken professionelle Investoren so sehr zurück wie vor einem inhomogenen Gesellschafterkreis. Ein Investor will in der Regel nur mit den Gründern zu tun haben, diese entwickeln und steuern. Inaktive Gesellschafter (wie z.B. anfängliche Geldgeber), die sich trotzdem in die Entscheidungsfindung auf Gesellschaftsebene einmischen wollen, sind für Investoren ein rotes Tuch. Daher sehr sehr sehr vorsichtig sein, wem man Anteile gibt!

Risikofaktor Gründer

Weiter wird ein Investor versuchen, das Risiko zu minimieren. Eine der größten Risiken liegt bei unerprobten Teams im Team selbst. Daher wird ein Investor sicherstellen wollen, dass er im Notfall die Kontrolle ganz übernehmen kann, wenn es auf Seite der Gründer schief geht.

Dazu gibt es mittlerweile eine ganze Sammlung von Vertragsklauseln, mit denen Investoren in Verträgen mehr Sicherheit für sich schaffen wollen. Hier einige der größten Risikofaktoren, die Investoren mit Vertragsklauseln zu regeln versuchen:

  • Die Gründer zerstreiten sich
  • Ein oder mehrere Gründer werfen das Handtuch
  • Es läuft schlechter als erwartet und es muss neues Geld von neuen Investoren eingeworben werden, zu einer niedrigeren Bewertung, zu der der ursprüngliche Investor eingestiegen ist
  • Die Gründer sind wider Erwarten nicht für das Führen des Geschäfts geeignet

Keine Panik: Ein guter Investor will die Gründer nicht schnellstmöglich loswerden. Das Gegenteil ist der Fall: Ein Startup-Investor investiert in erster Linie in das Team. Sonst gibt es ja noch nicht viel und nur das Team kann dafür sorgen, dass es eines Tages einen Gegenwert für die Bewertung gibt.

Vesting und andere Vertragsschmankerl

Einige typische Vertragsbausteine in Beteiligungsverträgen, hier auch mehr dazu:

  • Vesting: der „gevestete“ Gesellschafter muss sich den Anspruch auf seine Anteile erst über Zeit erwerben. Wer so als Gesellschafter das Handtuch wirft und nicht mehr aktiv mitmacht, kann ohne Anteile nach Hause gehen. Das kann auch dann gelten, wenn man das Handtuch geworfen bekommt, wenn man bei der Vertragserstellung nicht aufpasst.
    Ein Vesting kann aber für die Gesellschafter, die am Ball bleiben, auch äußerst wertvoll sein. Nichts ist schlimmer als ein nicht mehr aktiver Gesellschafter, der aber trotzdem noch mitbestimmen will.
  • Downround Protection: Der Gesellschafter, der diese DP hält, wird bei einer zukünftigen Kapitalerhöhung, die zu einer geringeren Bewertung als der ursprünglichen durchgeführt wird, so gestellt, als ob er gleich von Anfang zu dieser geringeren Bewertung eingestiegen wäre. Auf Deutsch: Wenn der Investor zu einer Bewertung von 1 Mio eingestiegen ist, wir aber aus einer Notlage heraus später eine Kapitalerhöhung zu 500.000 Bewertung durchführen müssen, bekommt der Investor nachträglich so viele Anteile „geschenkt“, als ob er von Anfang an zu 500.000 eingestiegen wäre.
  • Vorerwerbsrecht: Standard ist, dass bevor ein Gesellschafter seine Anteile an einen Dritten (Nicht-Gesellschafter) verkaufen möchte, muss er diese erst den bestehenden Gesellschaftern anbieten. Wenn diese nicht kaufen wollen, darf der Verkaufswillige meist innerhalb einer Frist die Anteile an einen Dritten verkaufen, aber zu mindestens der Bewertung, die den Gesellschaftern angeboten wurde.
  • Tag-along/Mitverkaufs-Recht: Wenn ein Gesellschafter seine Anteile verkaufen möchte und wir ein Mitverkaufsrecht besitzen, können wir von diesem verkaufswilligen Gesellschafter verlangen, dass unsere Anteile zu den gleichen Konditionen mit verkauft werden. Wenn das der Käufer nicht akzeptiert, der keiner verkaufen. Sinn der Sache ist es einerseits, dass man bei einem guten Angebot nicht auf seinen Anteilen sitzen bleibt. Andererseits können die Gesellschafter mit vielen Unternehmensanteilen (meist die Investoren) verhindern, dass ohne ihre Zustimmung Anteile verkauft werden.
  • Drag-along/Mitverkaufs-Pflicht: Quasi das Gegenteil des Tag-along: wenn ein Gesellschafter seine Anteile verkaufen möchte und die anderen in der Mitverkaufspflicht stehen, kann der verkaufswillige Gesellschafter alle zum Verkauf zwingen. Ein Drag-along ist meist an eine Mindesthöhe von verkaufswilligen Stimmrechten (Anteile) gebunden (z.B. „nur wenn mehr als 50% der Stimmrechte verkaufen möchte“) sowie an eine Mindestbewertung (z.B. „erst ab einer Verkaufsbewertung von 10 Mio“).

Bei Beteiligungsverträgen sollte man sich in jedem Fall von einem erfahrenen Anwalt beraten lassen; der durchschnittliche Gesellschaftsrechtler ist hier schnell überfordert. Man sollte aber in jedem Fall auch selbst durchblicken. Es ist meist keine gute Idee, die Verhandlung Anwälten zu überlassen. Brad Feld hat zu Investitionsverhandlungen eine sehr gute Übersicht geschrieben: Venture Deals