7 Fähigkeiten, die jeder Gründer braucht

Was müssen wir als Gründer alles können und wissen, um erfolgreich zu sein?

Diese Frage möchte ich hier beantworten. Die 7 Fähigkeiten lernen wir in 3 Phasen kennen, die Startups üblicherweise durchlaufen.
Wir versetzen uns dabei in die Lage eines jungen Gründerteams in den Startlöchern.

Phase 1: Ideen testen

Angenommen wir haben die Idee, Schuhbänder (oder auf gut schwäbisch Schnürsenkel ) im Online-Abo zu verkaufen. Andere haben das mit Socken, Nassrasierern, Müsli etc. schon erfolgreich getan, warum also nicht mit Schuhbändern. Uns fallen sofort tausend Möglichkeiten ein, wie wir die Idee weiter ausbauen können: Kunden könnten Farben und Design selbst gestalten, man könnte sehr hochwertige Materialien anbieten, man könnte farblich passende Gürtel dazu verkaufen, man könnte spezielle, leistungssteigernde Running Laces anbieten und so weiter.

Ein typisches Vorgehen: Wir packen all unsere Ideen in ein riesiges Konzept für einen Online-Shop, der alle oben genannten Features  enthält. Wir sagen uns: „Wir müssen unseren Kunden gleich von Anfang an möglichst viel bieten, damit sie auf jeden Fall etwas zum Kaufen finden“. Danach programmieren wir dieses Konzept mehrere Monate. Schließlich ist der Shop endlich fertig und wir fangen an, ihn zu bewerben. Die ersten potentiellen Kunden kommen auf unseren Shop und tun vor allem eins: sie gehen gleich wieder.

Wir haben aber eigentlich schon mit den ersten Umsätzen geplant, doch jetzt steht nicht nur die Deckung der laufenden Kosten in Frage sondern auch das ganze Startup.

Was ist passiert?

1. Fehler: Keine Konzentration auf das Wesentliche

Wir sind mit einer Idee gestartet. Um diese Kernidee herum haben wir noch tausend weitere Ideen, welche Features wir noch hinzufügen könnten und für welche Kunden unsere Idee noch wertvoll sein könnte. Wir glauben, dass genau dieser Ideenreichtum unsere Idee noch viel wertvoller macht. Aber eher das Gegenteil ist der Fall.

Sicher ist es gut, kreativ zu sein und darüber nachzudenken, wo die Idee noch überall hinführen könnte. Doch kann ein ungebändigter Ideenreichtum auch gefährlich werden.  Nichts ist in einem Startup so begrenzt wie die Management Attention der Gründer, also die begrenzte Arbeitskraft, die uns zur Verfügung steht.

Diese sehr begrenzte Arbeitskraft haben wir in unserem Beispiel sehr breit verteilt. Wir sind dem Feature Creep verfallen und haben gedacht „mehr ist besser“. In diese Falle tappt jedes Startup irgendwann.

2. Fehler: Aufwand erzeugen, ohne die zugrunde liegenden Hypothesen zu testen

Aus den vielen Ideen haben wir ein Produkt konzipiert, das viele unterschiedliche Zielgruppen mit vielen unterschiedlichen Bedürfnissen gleichzeitig anspricht. Die Käufer von selbstgestalteten Modebändern haben mit denen, die hochwertige Businessschuhe mit neuen Schuhbändern ausstatten wollen, wenig gemein.
Wir haben die zugrunde liegenden Hypothesen der Ideen nicht vorher getestet. Wir haben mehrere Monate im stillen Kämmerchen programmiert und keinen Kontakt zu unseren Kunden gehabt. Dadurch haben wir uns selbst die Chance genommen, etwas über unsere Kunden und deren Bedürfnisse zu erfahren und haben dadurch alle Ressourcen auf eine Karte gesetzt. Und verloren.

Was wäre besser gewesen?

Skill 1: Lean Testing (die „Lean Startup“-Methode)

Wir hätten uns von Anfang die Idee aus unserer Sammlung herauspicken sollen, die uns am erfolgversprechendsten erscheint. Diese einzelne Idee hätten wir wieder auf das Wesentliche reduzieren sollen und die zugrunde liegenden Hypothesen formulieren und testen sollen.

An unserem Schuhband-Beispiel hätte das so aussehen können: Initialzündung der Idee war, dass dem Vater einer der Gründer oft zu ungünstigsten Zeiten, und zwar morgens vor dem Verlassen des Hauses,  die Schuhbänder seiner Business-Schuhe gerissen sind. Dann mussten hektisch die Schuhe gewechselt werden. Die neuen Schuhe haben dann aber nicht mehr zum Anzug gepasst. Bis der Vater dann dazukam, neue Schuhbänder zu besorgen, dauerte es Wochen. Wie den Vater gibt es wahrscheinlich Millionen Menschen.

Wir hätten hier bereits einige Indikatoren für eine gute Geschäftsidee gehabt:

  • es liegt ein konkretes Problem vor
  • den Kunden ist das Problem bewusst
  • es gibt wahrscheinlich eine große Zielgruppe

Daraus hätten wir den Schluss ziehen können: wir konzentrieren uns am Anfang ausschließlich auf männliche Business-Schuhträger, die wenig Zeit zum Einkaufen haben.

Hypothesen aufstellen

Der Schlüssel zum erfolgreichen Testen von Ideen liegt darin, die der Idee zugrunde liegenden Hypothesen herauszuarbeiten. Eine Hypothese ist eine Grundannahme, quasi eine Behauptung, die wahr sein muss, damit die Idee funktionieren kann. Hier gibt es eine gute Anleitung für das Aufstellen von Hypothesen.

In unserem Beispiel hätten wir folgende Hypothesen herausarbeiten können:

  1. gerissene Schuhbänder sind für einen großen Teil der männlichen Business-Schuhträger ein Problem
  2. männliche Business-Schuhträger sind bereit, Schuhbänder zu kaufen, bevor diese tatsächlich gerissen sind
  3. männliche Business-Schuhträger sind bereit, Schuhbänder online zu kaufen
  4. männliche Business-Schuhträger sind bereit, Schuhbänder online im Abo zu kaufen

Hypothesen testen

Und schließlich hätten wir diese Hypothesen testen können. Und zwar die meisten davon, ohne eine einzige Zeile Code zu programmieren oder anderweitig viel Aufwand zu haben.

Die Hypothese 1 hätten wir z.B. so testen können: Wir hätten den Vater gebeten, dass wir ihn  in die Beratungsfirma, in der er arbeitet, begleiten dürfen, um einige seiner Kollegen zu interviewen.

Die Kunst wirklich erfolgreicher Kundengespräche liegt in der Fragestellung. Die meisten Leute wollen nett sein, wenn ein engagierter Gründer vor ihnen sitzt und sagen daher bewusst oder unbewusst nicht die Wahrheit. Außerdem sind Menschen sensationell schlecht darin, ihr eigenes Verhalten in der Zukunft vorauszusagen. Die Aussagekraft einer zukünftigen Kaufversprechung geht gegen Null.  Das müssen wir bei unseren Fragen berücksichtigen.

Schlechte Fragen

Diese Frage führen garantiert in die Irre:

  • Was würden Sie sich bez. Ihren Business-Schuhen wünschen?
  • Würde es Ihnen helfen, Schuhbänder im Abo zu erhalten?
  • Würden Sie unser Abo kaufen?
  • Wie viel würden Sie dafür ausgeben?

Gute Fragen

Diese Fragen sind wesentlich besser:

  1. Was sind die größten Herausforderungen mit ihren Business-Schuhen?
  2. Wann ist Ihnen zum letzten Mal ein Schuhband gerissen?
  3. Wie haben Sie versucht, dieses Problem zu lösen?
  4. Welche Kosten verursacht das Problem für Sie?

Warum sind diese besser? Wir erwarten nicht von unserem Gesprächspartner, dass dieser sein zukünftiges Verhalten gegenüber einem noch nicht anfass- und erlebbaren Produkt vorhersagt. Stattdessen sprechen wir mit ihm darüber, was er wirklich sicher weiß: ob und wie oft er das Problem hat, wie groß das Problem für ihn ist und welche Lösungen er sucht.

Die Aufgaben des Kunden ist es, das Problem zu kennen. Unsere Aufgabe ist es, die Lösung zu kennen.

Zur richtigen Fragestellung hat Andreas Klinger ein sehr gute, kurze Präsentation erstellt.

Noch einige Tipps für Kundeninterviews:

  • vorher in einer Checkliste sammeln, was ich alles herausfinden möchte
  • eine echte Konversation über den Ablauf/ den Prozess hinter dem Problem führen, ohne das Problem anzusprechen
  • die meisten der Fragen beantworten sich aus dem Gespräch, ohne extra nachzufragen
  • den Interviewten erzählen lassen und nur Fragen stellen, um ihm Guidance zu geben (klarerweise offene Fragen)
  • spezifisches Nachfragen um tiefer in die Materie zu dringen

MVP – Minimum Viable Product

Die Hypothese 4: Wir hätten von einem befreundeten Designer eine Landingpage erstellen lassen, auf der wir das Angebot mit dem Kernnutzen kurz beschreiben. Prominent auf dieser Landingpage hätten wir einen großen Button „Jetzt Schuhband-Abo bestellen“ sowie den Hinweis „10 € pro Jahr“ eingebaut. Bei Klick auf den Button erscheint folgender Text: „Vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Angebot! Hinterlassen Sie Ihre Emailadresse und wir benachrichtigen Sie, sobald Ihre Schuhbänder zur Verfügung stehen.“

Den Link zu dieser Landingpage hätten wir an 20 Kollegen des Vaters versendet und hätten dann gemessen, wie viele davon die Landingpage besucht haben und wie viele von den Besuchern auf den Button geklickt haben.

Das nennt man einen Minimum Viable Product oder auch Protoytp. Die Idee dabei ist, unsere Hypothesen mit so wenig Aufwand wie irgend möglich zu testen. Wir wollen wissen, ob Leute unser Produkt online kaufen? Dazu brauchen wir im ersten Schritt weder das Produkt noch einen Webshop. Es reicht völlig aus, diesen zu simulieren. Wir müssen einem potentiellen Käufer lediglich den Eindruck vermitteln, dass er wirklich einen Kauf tätigt. Fake it until you make it.

Viel gelernt für wenig Geld

Die hier beschriebene Tests hätte uns wenige Euro gekostet und wir hätten diese sensationell wichtigen Erkenntnisse gewonnen: wir hätten gewusst, dass die angesprochene Zielgruppe für genau dieses Angebot bereit ist, Geld bei uns auszugeben.

Dann hätten wir in wenigen Wochen genau dieses super-reduzierte Angebot in einen Webshop gepackt und hätten wahrscheinlich nach den ersten Online-Tagen samt Bewerbung schon einige Schuhbänder verkauft.

Daher: Die einzige Wahrheit liegt beim Kunden! Unser Erfolg liegt ausschließlich beim Kunden! Wenn wir nicht den Großteil unserer Energie auf unseren Kunden, seine Bedürfnisse und unsere Lösungen aufwenden, werden wir scheitern! 

Unsere wichtigste Aufgabe ist es, schnellstmöglich eine Idee auszuwählen, diese auf das Wesentliche zu reduzieren, schonungslos die kritischen Pfade dieser Idee zu testen, Ergebnisse zu messen, Änderungen vorzunehmen und erneut zu testen.  Entscheidend ist, die wirklich schwierigen Teile der Geschäftsidee zuerst zu testen. Zuerst da hingehen, wo es wehtut.

Eric Ries hat genau dazu die absolute Bibel für Startups geschrieben. Wenn ihr nur ein Buch in eurer Karriere als Unternehmer lest, dann lasst es sein The  Lean Startup sein.

Diese 4 zentralen Fragen sind der Reihe nach zu beantworten:

  1. Welches Problem wollen wir lösen?
  2. Ist das für unseren Kunden wirklich ein Problem? Hat er es als solches erkannt?
  3. Ist der Kunde bereit, für eine Lösung Geld auszugeben?
  4. Ist der Kunde bereit, UNS für UNSERE Lösung Geld zu geben?